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Kausalität oder Korrelation – Wunschdenken in der Wissenschaft

Satire und Tragik in der Wissenschaft… ein Beispiel:

Bitte glauben Sie uns: Wir betreiben keine Satire-Seite!

Heute begeben wir uns in die Niederungen der wissenschaftlichen Publikationskultur. Bei über 30.000 veröffentlichten Publikationen zu COVID-19 sind unweigerlich auch Schrott-Papiere zu finden. Leider ist ihre Anzahl nicht gering. Dies schadet dem Ansehen der Wissenschaften. Ein Beispiel ist uns vor einigen Tagen zugeflogen, ihm widmen wir unseren heutigen Blog-Beitrag.

Ernährung hat unbenommen einen direkten Zusammenhang mit unserer Gesundheit. Jeder kann entscheiden, welche Nahrungsmittel er/sie aufnehmen möchte. Manche Nahrungsmittel ernähren, manche erfreuen, manche sind schädlich. Manche sind alles davon. Sie haben die Wahl. Jetzt haben wir aber eine weitere Komponente entdeckt, denn: Eine Kooperation europäischer Einrichtungen will einen Zusammenhang zwischen Ernährung und COVID-19-Todesraten ermittelt haben. In zwei Arbeiten (eine ist bereits publiziert 1, eine findet sich noch auf einem preprint Server 2) vergleichen sie die landesüblichen Diäten mit der jeweiligen Todesrate verursacht durch COVID-19.

Als Prämisse diente den Autoren die Annahme, dass die politisch verordneten Schutzmaßnahmen (Abstandsregeln und Maskenpflicht) unmöglich die wichtigsten Faktoren für geringere Infektionszahlen und Todesraten bei COVID-19 darstellen können. Dies finden wir erstaunlich, denn immerhin wird die Krankheit von einem respiratorischen Virus hauptsächlich per Tröpfcheninfektion übertragen.

Die Autoren haben sich stattdessen die Ernährungsgewohnheiten einiger europäischer Länder vorgenommen. Dabei wurden erstaunliche Zusammenhänge offenbar. Hier eine kleine Auswahl:

Die Letten verzehren pro Tag durchschnittlich 25 Gramm Kohl. Lettland verzeichnet eine der geringsten Todesraten von COVID-19.

In Zypern werden täglich pro Kopf ca. 30 Gramm Gurken verzehrt. Die Todesrate ist vergleichbar mit der der Letten.

In Osteuropa werden generell mehr Kohl und fermentierte Milchprodukte verzehrt. Dort ist die Sterberate geringer als in Westeuropa. Ergo: Kohl, Gurken und Kefir schützen vor COVID-19.

Das Gegenteil wurde gefunden für zwei weitere Gemüse: Der Konsum von Broccoli und Kopfsalat korreliert stark mit einer erhöhten COVID-19-Todesrate (beispielhaft in Großbritannien und Spanien).

Wir möchten hier nicht alle Schwächen der Publikationen aufzählen (eine willkürliche Auswahl von Ländern und einzelnen Nahrungsmitteln, die unterschiedlichen Datensätze usw.), dies würde den Rahmen sprengen und uns körperliche Schmerzen bereiten.

Nur ein einziger Punkt ist wichtig: Die gefundenen Zusammenhänge sind nicht kausal, d.h. der Konsum einzelner Lebensmittel ist nicht der Grund für eine bessere oder schlechtere COVID-19 Prognose. Hierbei handelt es sich schlichtweg um ein großartiges Beispiel von Schein-Korrelation.

Leider weisen die Autoren in keiner Weise darauf hin, dass dies ein satirischer Beitrag sein sollte. Oder kann es sein, dass es sich um einen „Hoax“ handelt?  Beides hielten wir in einer Zeit hunderttausender Todesfälle für unangemessen.

Und beides wurde bereits in der Vergangenheit in großartigen Arbeiten präsentiert. In dem Buch „Fashionable Nonsense“ 3 wurde 1998 beschrieben, wie ein vollkommen unsinniger Artikel, ein Hoax, in einem Fachblatt veröffentlicht werden konnte.

Ein moderner Klassiker ist ein Artikel von Franz Messerli 4 aus dem Jahr 2012, der einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem landesspezifischen Konsum von Schokolade und der Anzahl von Nobelpreisträgern der entsprechenden Länder aufzeigte. Schöner wurde Korrelation nie entlarvt. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Wir sind uns sicher, dass eine schwere Mangelernährung nicht förderlich für den Verlauf einer COVID-19 Erkrankung ist, aber bitte essen sie weiter Gurken und Kohl und trinken Sie Kefir. Und scheuen Sie nicht Broccoli und Kopfsalat.

Bleiben Sie weiter höflich distanziert, denn das Virus bleibt nach wie vor ein über die Luft weitergegebener Krankheiterreger. Wir melden uns, sollte sich daran etwas ändern.

Ihr Jörg und Sabine

SAJO – für eine gesunde und bessere Zukunft!

P.S.: Eine der beiden Arbeiten 1 weist auch darauf hin, dass deutschsprachige Kantone der Schweiz geringere Todesraten aufweisen als Kantone mit italienischer oder französischer Sprache. Leider verpassen die Autoren hier die einmalige Gelegenheit, auf die offensichtliche Schutzfunktion der deutschen Sprache hinzuweisen. Die weltweit agierenden Goetheinstitute wären dafür sicher sehr dankbar gewesen.

(Diesen satirischen Kommentar konnten wir uns nicht verkneifen)

Ein herzliches Dankeschön an Oliver Hoogvliet für die großartige Zeichnung. ollihoo (https://hoogvliet.de)

1 Bousquet et al.: “Is diet partly responsible for differences in COVID‑19 death rates between and within countries?”; Clinical and Translational Allergy, 2020 https://doi.org/10.1186/s13601-020-00323-0

2 Fonseca et al.: „Association between consumption of vegetables and COVID-19 mortality at a country level in Europe“ https://doi.org/10.1101/2020.07.17.20155846

3 Alan Sokal and Jean Bricmont: “Fashionable Nonsense“; Picador, New York, 1998

4 Franz H. Messerli: “Chocolate Consumption, Cognitive Function, and Nobel Laureates”, New England Journal of Medicine 2012