Unsere Einschätzung als Virologen und mündige Bürger einer Demokratie…
Heute treffen sich die Ministerpräsident*innen der Bundesländer mit der Kanzlerin, um Justierungen der Coronavirus-Maßnahmen auf Bundesebene zu koordinieren.
Grundlage unserer Einschätzung sind der Artikel in der Süddeutschen Zeitung online vom 27. August 2020, und die nach wie vor steigenden Infektionszahlen in Deutschland.
Generell fänden wir es gut, wenn alle einzelne(n) Ministerpräsident*innen mit der Kanzlerin an einem Strang ziehen, und sich nicht wieder nach nur einem Tag von den vereinbarten Maßnahmen verabschieden, wie es leider das letzte Mal der Fall war.
Ein Flickenteppich an Maßnahmen ist der Bevölkerung, und auch uns, schwer vermittelbar. Wohin dieser Trend führt, kann an den steigenden Infektionszahlen abgelesen werden.
Wir haben Verständnis dafür, dass einzelne Bundesländer, die aufgrund ihrer dünnen Besiedlung geringere Infektionszahlen aufzeigen, ihren Maßnahmenkatalog abschwächen möchten. Diese Länder würden wir jedoch zu Solidarität aufrufen, denn wenn sich alle gleich behandelt fühlen, werden diese unbequemen Maßnahmen auch leichter ertragen. Wir weisen darauf hin, dass genau diese dünn besiedelten Länder ihrerseits Solidarität erhalten in Form des Länderfinanzausgleichs. Solidarität sollte in beide Richtungen funktionieren. Masken tragen und Abstand halten und die Absage von großen Partys und Events sollte für einen bestimmten Zeitraum für jeden erträglich sein.
Die einzelnen Punkte im Überblick:
Großveranstaltungen – Fußballstadien – Konzerte:
Der Bundesinnenminister möchte die Fußballstadien wieder für Publikum öffnen. Wir verstehen ihn, dass er im Zuge der Champions League-Euphorie seine Wählerbasis zufriedenstellen möchte.
Sein Argument, dass die Menschen kein Verständnis dafür aufbringen, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln Gedränge herrschen darf, in einem Stadion aber nicht, hinkt jedoch gewaltig: Die meisten Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln sind auf diese Transportmöglichkeit angewiesen. Sie haben keine andere Wahl, wenn sie ihren Job nicht verlieren möchten. Es kann schließlich nicht jeder im Homeoffice bleiben.
Das gilt jedoch NICHT für Spaßveranstaltungen, wie Konzerte und eben auch Sportevents. Außerdem wird es schwierig, wenn die Euphorie und Partylaune auf Veranstaltungen den Verstand ausschalten, unabhängig davon, wieviel Verstand zu Beginn vorhanden war.
Im Berufsverkehr beobachtet man selten johlende und tanzende und sich umarmende, feiernde Fahrgäste des ÖPNV.
Private Feiern:
Private Feiern sollen auch weiterhin in ihrer Teilnehmerzahl beschränkt bleiben. Hier kann nur an die Vernunft jedes Einzelnen appelliert werden. Veranstalter und Teilnehmer müssen sich der Risiken bewusst sein und sich entsprechend verhalten. Die Alternative wäre ein Verbot solcher Veranstaltungen und das möchte niemand. Wenn hier privat Verantwortung übernommen wird, muss es auch keine drastischeren Maßnahmen geben. Auch dies hat jeder Einzelne in der Hand. Liebe Bürger, bitte verhalten Sie sich als mündige Bürger.
Demonstrationen:
Das Grundrecht auf Demonstration ist wichtig für eine Demokratie. Gleichzeitig ist aber wichtig, dass Veranstalter und Teilnehmer sich an demokratische Regeln und ihre Gesetze halten. Das betrifft momentan vor allem das Infektionsschutzgesetz, hat aber zu jeder Zeit auch mit der Sicherheit von Teilnehmern und Zaungästen zu tun.
Mund-Nasenschutz-Pflicht, „Maskenpflicht“, Abstandsregel:
Mund-Nasenschutz und Abstand sind derzeit noch die besten Maßnahmen sich und andere zu schützen. Derzeit halten wir es für sinnvoll, Verstöße gegen die Maskenpflicht bundesweit mit Bußgeldern zu ahnden. Das scheint anders leider nicht zu funktionieren.
Quarantäne und Testungen:
Quarantänepflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten halten wir für unabdingbar. Die von Herrn Lauterbach vorgeschlagenen 7 Tage sind nach heutigem Wissensstand ausreichend, um bei den meisten Infizierten das Risiko einer Virusweitergabe weitestgehend zu minimieren.
Eine Testung ist erst nach 1-2 Tagen sinnvoll, da eine Infektion auch während der Rückreise stattgefunden haben kann. Tests an Flughäfen sind (noch) nicht sinnvoll, da u. U. zu früh.
Wer nicht in eine längere Quarantäne gehen möchte oder kann, muss sich einem Test unterziehen, und das auf eigene Kosten, denn er/sie ist mit der Urlaubsreise ganz bewusst ein Risiko eingegangen. Das darf nicht von der Allgemeinheit, die sich vernünftig verhält, subventioniert werden.
Nach wie vor halten wir Tests für das Vorhandensein von Virus (wir reden hier nicht von Tests auf Antikörper, die eine vergangene Infektion anzeigen) für ein Kernstück der Maßnahmen, um die Verbreitung des Virus unter Kontrolle halten zu können. Diese Tests sollen bezahlbar werden. Ein angemessener Preis wären € 20, und das Ergebnis muss innerhalb von 24 Stunden kommuniziert werden. Alles andere ist sinnlos. Ein zu spät kommuniziertes Testergebnis ist wertlos.
Schulen und Schulkonzepte:
Ein letztes Wort zu den Schulen: In den vergangenen vier Monaten haben es leider die Verantwortlichen versäumt, eine sinnvolle, einheitliche Regelung zu treffen. Das ist beschämend. Ein bundesweites Konzept wäre wünschenswert, auch wenn Bildung Ländersache ist, muss es möglich sein, aufgrund wissenschaftlicher und medizinischer Fakten ein einheitliches, sinnvolles Konzept zu erarbeiten. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Dieses Versäumnis muss schleunigst korrigiert werden. Ob die Lehrerschaft das notwendige Knowhow hat, um solche Konzepte zu entwickeln, ist fraglich. Hier sind Fachleute gefragt.
Wir hoffen auf sinnvolle Justierungen, die von allen Bundesländern mitgetragen werden. Die Welt befindet sich nach wie vor in einer Krisensituation, der sich auch Deutschland nicht entziehen kann. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen. Das bedeutet, dass die Priorität nicht auf der Zahl der Wählerstimmen einzelner Wahlkreise liegen sollte. Bundesweit einheitliche Regeln sind ein Zeichen gegenseitiger Solidarität.
Das hielten wir für wahre Größe einzelner Ministerpräsident*innen.
Wir sind gespannt auf das Ergebnis der heutigen Konferenz.
Ihre Sabine Breun und Jörg Baumann
SAJO – für eine gesunde und bessere Zukunft!
Informationen zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu COVID-19: https://www.sajo-innovation.de/blog/de/sommer-2020-in-deutschland/
Informationen zur Entwicklung der Pandemie weltweit finden Sie hier: https://www.sajo-innovation.de/blog/de/pandemiestufe-orange/
Informationen im Überblick – der aktuelle Stand der Pandemie: https://www.sajo-innovation.de/blog/de/einschaetzung-der-sars-cov-2-pandemie-behandlungsmoeglichkeiten-folgen/