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Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf den Studienbetrieb

Ein Gastbeitrag von Lisa Schweiger, 29. September 2021

Der SAJO Blog bietet seit Februar 2020 einen Leitfaden mit aktuellen Informationen und Empfehlungen zur SARS-CoV-2 Pandemie.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mein Name ist Lisa Schweiger, ich studiere im fünften Semester Allgemeine Pädagogik im Bachelor-Studiengang an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Die Herausforderungen für Studierende werden in der aktuellen COVID-19 Pandemie zu wenig berücksichtigt. Deshalb möchte ich im Folgenden Einblicke aus meinen drei bisherigen Online-Semestern geben. Für die Chance, meine Erfahrungen auf diesem Blog teilen zu dürfen, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

Hintergrundbild: Das Alte Rathaus von Bamberg, erbaut im 15. Jahrhundert, ist eines der originellsten Bauwerke in Bamberg aufgrund seiner Architektur, der Lage und der mit Fresken bemalten Fassade. Ursprünglich hatte 1755 Johann Anwander die Fassade bemalt. Eine Neubemalung Anfang der 1960er Jahre fand statt durch Anton Greiner, nachdem die historischen Fresken nicht mehr zu erkennen waren. Bildnachweis: © Lisa Schweiger.

Zu Beginn meines Studiums hatte ich noch das Glück, ein Semester in Präsenz zu erleben. Die unterschiedlichen Programme und Websites der Universität wurden uns damals vor Ort erklärt und wir hatten die Möglichkeit, jederzeit unsere TutorInnen zu kontaktieren und persönlich zu treffen. Zudem hatten wir eine Einführung durch den IT-Support – dem Rechenzentrum der Universität Bamberg – welche viele nutzten, um Fragen zu stellen. Präsenz war wichtig, um direkt an den individuellen Laptops die notwendigen Einstellungen vorzunehmen. Die ErstsemestlerInnen, die während COVID-19 ihr Studium begonnen haben, mussten sich überwiegend selbstständig mit der Technik und den Programmen der Universität auseinandersetzen.

Nach einem holprigen Start in das erste ‚Corona Semester‘ – durch Server-Überlastungen am ersten Tag der Online-Lehre  – erfolgte die Umgewöhnung schnell. Für die Online-Vorlesungen wurden die Tools MS Teams und Zoom verwendet. Die Vorlesungen fanden entweder synchron oder asynchron statt. Bei synchronen Vorlesungen hatten wir die Möglichkeit, jederzeit Fragen im Chat zu stellen oder Kamera und Mikrofon zu aktivieren, um sich aktiv zu beteiligen. Bei Gruppen mit über 100 Studierenden wurden wir jedoch gebeten, die Kamera und das Mikrofon abzuschalten, um für eine stabile Internetverbindung zu sorgen. Immerhin konnten sich Studierende über die Chat-Funktion austauschen. Problem hierbei waren v.a. instabile Internetverbindungen, die zur Unterbrechung von Vorlesungen führten oder Studierenden die Teilnahme an den Online-Sitzungen unmöglich machten.

In asynchronen Vorlesungen dagegen hatten wir weniger Möglichkeiten, mit KommilitonInnen in Kontakt zu treten. Online gab es zwar eine Liste aller eingeschriebenen KursteilnehmerInnen, jedoch wurde dieses Instrument sehr selten genutzt. Die DozentInnen haben sich um ein Chatforum zum Austausch zwischen Studierenden bemüht. Dies wurde jedoch auch nicht in Anspruch genommen, da sowohl Studierende als auch Dozierende mitlesen konnten und dies viele Studierende Überwindung gekostet hätte, sich zu positionieren. Zudem gab es keine Möglichkeit, sofort Fragen zum Thema zu stellen. Entweder konnten wir Fragen im Nachgang der Vorlesung per E-Mail schicken oder das Chatforum nutzen.

Der Vorteil der asynchronen Vorlesungen dagegen war die Flexibilität. Unabhängig von Zeit und Ort konnte die Vorlesung entweder gehört oder gesehen werden. Dabei gab es auch die Möglichkeit, Videos mehrmals anzusehen oder Teile zu wiederholen. Zudem konnten Lerninhalte, die wir bereits aus anderen Vorlesungen kannten, übersprungen werden. Manche Dozierende haben beide Formate verknüpft, beispielsweise mit drei asynchronen Vorlesungen und anschließender Live-Vorlesung, in welcher die Inhalte der letzten Sitzungen erneut behandelt wurden und wir in Kleingruppen über die Inhalte diskutieren konnten. Dabei hatten wir auch die Möglichkeit, andere Studierende besser kennenzulernen, da die Anzahl der Studierenden pro Kleingruppe so gewählt wurde, dass wir uns austauschen konnten und jede/r zu Wort kam. Leider haben sich in größeren Gruppen Schüchterne eher zurückgehalten und wenig zu Diskussionen beigetragen. Oft haben Leute ein Meeting verlassen, sobald eine Gruppenarbeit oder Diskussion angekündigt wurde. Vor allem bei Referaten in Seminaren ist dies enttäuschend für die Referierenden, da es Planung (von aktivierenden Methoden, welche die Interaktion im Seminar fördern sollen) und die Kommunikation im Seminar erschwert.

Nach Abschluss des Semesters fanden die Klausuren überwiegend in der brose ARENA in Bamberg statt, um die Abstandsregelungen einhalten zu können. Dafür wurde ein Hygienekonzept entwickelt, um 200 bis 400 Studierende unterbringen zu können. Die Hygieneregeln waren allerdings beim Ein- und Ausgang nicht durchsetzbar. Für uns Studierende gab es eine Art Joker bei Prüfungsleistungen: Die Corona-Regeln haben es uns ermöglicht, angemeldeten Prüfungen ohne eine ärztliche Bescheinigung fernzubleiben. Auch befanden sich manche Studierende in Quarantäne und durften so nicht an Prüfungen teilnehmen. Viele Studierende nutzten diese Regel leider auch als Ausrede, um dem Studium insgesamt weniger Aufmerksamkeit zu schenken und nicht regelmäßig an Vorlesungen und Seminaren teilzunehmen. Die Online-Lehre erfordert – verglichen zur Präsenz Lehre – mehr Organisationsbereitschaft und mehr intrinsische Motivation von Seiten der Studierenden, um selbstständig Vorlesungen vor- und nachzubereiten und aktiv an Seminaren teilzunehmen.

Manche Dozierende haben ein alternatives Prüfungsformat gewählt. Ein Beispiel dafür ist ein sogenannter Open Book Test, bei welchem wir alle Lernmaterialien für den Test verwenden dürfen. Zudem darf währenddessen auch im Internet recherchiert werden und Quellen mit entsprechender Kennzeichnung im Test wiedergegeben werden. Viele denken, dass Open Book Tests wesentlich leichter zu bewältigen sind, da man die Inhalte nachschlagen kann. Aus zeitlichen Gründen ist es jedoch nicht möglich, alle Fragen erst zu recherchieren und sich einzulesen. Zudem beinhalten Open Book Tests Transferaufgaben, welche eine kritische Auseinandersetzung mit Lerninhalten voraussetzen.

Neben Vorlesungen gibt es noch Seminare, die überwiegend synchron stattfinden. Hierbei liegt die Teilnehmerzahl meist zwischen zehn und dreißig Studierenden, was einen regen Austausch ermöglicht. Durch Diskussionen und Kleingruppenarbeiten war es möglich, neue Kontakte zu knüpfen. Die Online-Räume für Kleingruppen waren für einen fixierten Zeitraum offen. Diese zeitliche Begrenzung erschwerte es, Diskussionen abschließend zu beenden, da der Raum automatisch geschlossen wurde. Dabei wird zwar ein Countdown angezeigt, jedoch wird das von vielen eher als Stressfaktor interpretiert. Auch musste innerhalb dieser kurzen Zeit ein/e Moderator/in bestimmt werden. Viel Energie wurde in dieses Format gesteckt, um es produktiv zu gestalten. Doch die genannten Limitierungen sprechen für eine Durchführung in Präsenz.

Mein persönlicher Wunsch ist, dass Teile der Online-Lehre, wie asynchrone Vorlesungen, mit der damit gewonnenen Flexibilität weiter angeboten werden. Seminare ziehe ich allerdings wegen Diskussionen und Kleingruppenarbeiten in Präsenz vor.

Durch die COVID-19 Pandemie leiden vor allem der persönliche Austausch zwischen Studierenden und der Sprung in ein selbstständiges Leben.

Viele wohnen noch immer bei den Eltern oder sind zurück in die Heimat gezogen, um Mietkosten zu sparen. Für den persönlichen Austausch werden ersatzweise v.a. Uni-Gruppen in Facebook oder ‚Studydrive‘ (App) genutzt.

Auch wünschte ich mir, dass die Fähigkeiten der Universitäten, ein breites Internetangebot zu bieten, dringend verbessert würden.

In den USA werden seit vielen Jahren Vorlesungsreihen online angeboten.

Zur Vorbereitung auf mein Studium habe ich ein Jahr in den USA gearbeitet, begleitet von College Vorlesungen über Amerikanische Geschichte.

Das Griffith Obervatory auf dem Mount Hollywood mit Blick auf Los Angeles. Das Observatorium wurde in den 1930er Jahren erbaut und ist ein Wahrzeichen der Stadt. Bildnachweis: © Lisa Schweiger.
Das Jefferson Memorial in Washington D.C. zur Zeit der berühmten Kirschblüte. Es wurde in den 1940er Jahren errichtet, um den dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten und Hauptautor ihrer Unabhängigkeitserklärung zu ehren. Bildnachweis: © Lisa Schweiger.

Für die Zukunft sollten Universitäten einen Hygieneplan erarbeiten, der automatisch bei bestimmten Situationen greift. An den Universitäten gibt es fächerübergreifende Kompetenz (Medizin, Biologie, Physik, Pädagogik, usw.), diese kann gebündelt werden, um ein tragfähiges Lehrkonzept unter sicheren Bedingungen zu erarbeiten. In diesen Entstehungsprozess sollten auch die Studierenden eingebunden werden, um sich aktiv einzubringen und dabei zu lernen. So kann man zukünftigen Krisen im universitären Bereich begegnen.

Die COVID-19 Pandemie hat weltweit Defizite im Lehrbetrieb aufgezeigt. Das sollte uns eine Lehre für die Zukunft sein.

Diese Herausforderungen gilt es zu meistern, sowohl für die Universitäten als auch für uns Studierende. Ich freue mich auf die kommenden Semester und bin gespannt, welche Lehr-Lern-Settings zukünftig genutzt werden.

Hinweis: Ich möchte betonen, dass die oben beschriebenen Situationen meiner persönlichen Wahrnehmung entsprechen und von StudentInnen unterschiedlich interpretiert werden. Zudem kann die Umsetzung der Online-Lehre je nach Studiengang und Universität variieren.

Kürzlich haben die Stiftung Universität Hildesheim und die Universität Münster eine Umfrage unter Studierenden veröffentlicht, die eine breite Meinung abbildet. Interessierte können sich gerne auf folgendem Link informieren: https://hildok.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/docId/1252

Lisa Schweiger

Blog post No. 193. Dies ist ein Gastbeitrag von Lisa Schweiger

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