21. Dezember 2021
Der SAJO Blog bietet seit Februar 2020 einen Leitfaden mit aktuellen Informationen und Empfehlungen zur SARS-CoV-2 Pandemie.
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Liebe Leserinnen und liebe Leser,
Immer wieder werden wir zu den in Deutschland fälschlicherweise so genannten „Totimpfstoffen“ gefragt. Diese scheinen für viele ängstliche Laienvirologen der letzte Schrei zu sein. Deshalb hier eine kleine Geschichte der Impfstoffe.
Das erste Mittel gegen die Pocken – Variolation
Die Pocken waren viele Jahrhunderte eine große Plage für die Menschheit. Hochansteckend und in den meisten Fällen tödlich. Die Menschen waren so verängstigt, dass sie tatsächlich ein Mittel, genannt Variolation, dem Virus selbst vorgezogen haben. Was ist Variolation? Für die Variolation wurden getrocknete Pusteln von Pockenopfern fein gemahlen und in die Nase der zu „schützenden“ Person appliziert. Man muss wissen, dass die charakteristischen Pusteln bei Pockenopfern gigantische Mengen an Virus enthielten. Das Trocknen dieser Pusteln hat die meisten Viren inaktiviert. Doch nicht alle. Wir reden hier nicht von heutigen medizinischen Applikationen. Jede/r Zehnte der „Variolierten“ erkrankte an Pocken, die meisten Erkrankten starben. Doch das Risiko an der Variolation zu sterben war geringer als an den „echten“ Pocken zu sterben. Das war die Situation. Keiner kann sich das heute noch vorstellen.
Dann hat im 18. Jahrhundert ein englischer Landarzt beobachtet, dass Mägde (es war eine andere Zeit), die Kühe molken, nicht an den Pocken starben. Sie hatten bei ihrer harten Arbeit mit dem Vieh die Kuhpocken bekommen. Kuhpocken sind eine sehr schmerzhafte, aber nicht tödliche Erkrankung. Edward Jenner schloss daraus, dass eine Erkrankung mit Kuhpocken vor der Variola schützt. In einem heute undenkbaren Experiment konnte er dies beweisen. Ab diesem Zeitpunkt hat sich die dann so genannte Vakzinierung explosionsartig in Europa ausgebreitet. Mit großem Erfolg. Und mit einem kleinen bis heute nachwirkenden Nebeneffekt. Vacca ist der lateinische Name der Kuh. Deshalb haben schon damals Menschen befürchtet, dass sie bei einer Vakzinierung Eigenschaften der Kuh annehmen könnten. Es gibt zahllose Bilder, die dies illustrieren. Das ist der Ursprung der Impfgegner-Bewegung. Die „Nebenwirkungen“ einer Infektion werden von ihnen schlichtweg ignoriert. Das ist bis heute so.
Die Impfung mit Kuhpocken war eine Impfung mit einem vollständig aktiven Virus. Das Virus hat eine leichtere Krankheit ausgelöst als das gefürchtete, tödliche Variola-Virus. Das Immunsystem hat gegen das Kuhpockenvirus eine Abwehr aufgebaut, die dann gegen das nahe-verwandte Variola-Virus schützte.
Der Ausgang dieser Geschichte ist bekannt. Heute gibt es keine Variola mehr in Menschen. Die Pocken sind die erste Infektionskrankheit, die durch Impfungen ausgerottet wurde. Seit Jahrzehnten wird kein Kind mehr mit dem Pockenimpfstoff geimpft. Wir selbst sind alt genug, um die Narbe im Oberarm zu sehen. Sie begleitet uns als Memento. Wir sind Virologen.
Zwei weitere die Menschheit betreffende Viruserkrankungen können in den nächsten Jahren ausgerottet werden. Doch dazu bedarf es einer weltweiten Anstrengung. Welche den Menschen befallenden Viren können ausgerottet werden? Nur die, die sich auf den Menschen allein verlassen. Manche Viren können nur den Menschen befallen. Dazu gehörten die Pocken. Dazu gehören das Masernvirus und das Poliomyelitis-Virus.
Massive Impfkampagnen haben beide Viren zurückgedrängt. Poliomyelitis, im Deutschen „Kinderlähmung“ genannt, kommt nur noch in zwei Ländern weltweit vor: In Pakistan und Afghanistan. Solange dort Unruhe und Krieg herrschen, wird das so weitergehen. „Kinderlähmung“ wird diese furchtbare Krankheit genannt, weil dieses Virus so hoch infektiös ist, dass es bereits die jüngsten Erdbewohner trifft.
Und hier kommen wir zur zweiten Impfgeschichte. Albert Sabin hat in den 50er Jahren einen Impfstoff gegen Polio entwickelt, der wie beim originalen Pockenimpfstoff heute niemals eine Zulassung erhalten würde. Nichtsdestotrotz war er hoch wirksam. Der Impfstoff beruhte nicht wie bei der Pockenimpfung auf einem naheverwandten Virus. Er bestand auf dem tatsächlich krankheitsauslösenden Virus. Allerdings war dieses Virus in vielen Passagen durch Zellkulturen in seiner krankmachenden Eigenschaft abgeschwächt. Das nennt man ein attenuiertes Virus. Das Immunsystem hatte genug Zeit, das Virus zu erkennen und abzutöten, bevor Krankheitssymptome auftraten. Vielleicht sind Sie alt genug, um die „Schluckimpfung“ noch erlebt zu haben. Ein Würfelzucker mit einer Flüssigkeit versetzt. Gewollter Nebeneffekt dieses attenuierten Virus war die Weitergabe des attenuierten Virus über den Stuhlgang. So wurden andere Menschen mit dem attenuierten Virus „geimpft“.
Das führt uns nun zu den sogenannten „Totimpfstoffen“, von denen manche selbsternannte „Impfskeptiker“ reden. Totimpfstoffe gibt es bei bakteriellen Erkrankungen. Dazu werden pathogene Bakterien gezüchtet und chemisch abgetötet. Bei Viren ist dieser Begriff sinnlos. Korrekt werden sie als inaktivierte Impfstoffe bezeichnet.
Doch lassen Sie uns bei dem Begriff bleiben, denn dieser umfasst viel mehr als inaktivierte Viren, „tot“ umfasst alles, was sich nicht vermehren kann. Als „Totimpfstoff“ gelten demnach die Impfstoffe von Johnson&Johnson, AstraZeneca, BioNTech/Pfizer und Moderna. Sie können sich nicht vervielfältigen. Daher stellt sich uns die Frage, worauf diejenigen noch warten, die einen „Totimpfstoff“ bevorzugen. Er ist längst hier!
Zum Abschluss noch eine kurze Erklärung zur Wirkung der Impfstoffe. Ein chemisch inaktiviertes Virus – ein solcher COVID-19 Impfstoff ist in der EU bis heute nicht zugelassen – spielt dem Immunsystem eine Infektion vor, allerdings nicht eine Infektion der Körperzellen. Der Impfstoff zirkuliert und aktiviert das Immunsystem. Daraus resultieren hauptsächlich Antikörperantworten. Ein Impfstoff, der in die Zellen eindringt (wie die mRNA-Impfstoffe), hat hier einen gewaltigen Vorteil. Die viralen Proteine werden von den körpereigenen Zellen produziert in genau der Weise, wie es ein „echtes“ Virus verursacht. Dadurch entsteht als Bonus eine starke T-Zell Antwort. Diese sorgt dafür, dass bei einer Infektion die befallenen Zellen abgetötet werden. Man hat also eine starke zweiarmige Immunantwort. Deshalb bevorzugen wir die mRNA Impfstoffe. Auch für Kinder.
Die Omikron Variante wird durch die junge Generation rauschen wie ein Buschfeuer. Selbst bei einem geringeren Anteil an schweren Erkrankungen bei Kindern wird dies in der absoluten Zahl durchaus spürbar werden. Und täuschen Sie sich nicht: Während in unseren Nachbarländern die Omikron-Fälle sprunghaft steigen, tun sie das in Deutschland nur deshalb nicht, weil zu wenige positive PCR Tests sequenziert werden. In den USA waren letzte Woche nur sehr wenige Omikron Fälle gefunden worden. Heute sind über 70 % der positiven Resultate auf Omikron zurückzuführen. Diese Variante verbreitet sich rasend schnell.
Bitte feiern Sie Weihnachten in Sicherheit. Sie wissen, wie Sie das tun können, Sie lesen schließlich unseren Blog. Wenn Sie eine Familienfeier planen, dann sollten sich alle Teilnehmer/innen zwei Tage vorher einem PCR-Test unterziehen und bis zur Feier zuhause in Selbstisolation begeben. Positiv getestete müssen der Feier fernbleiben, samt allen ihren Mitbewohner/innen. Die Schnelltests geben Ihnen leider nicht die Sicherheit, die Sie benötigen. Sie wollen schließlich keine viralen Geschenke verteilen.
In anderen Worten für die, die noch unsicher sind: Wenn Ihr PCR-Test negativ ist, und Sie dann bis zum Weihnachtsfest keine Kontakte hatten, dürfen Sie das Weihnachtsfest im Raum ohne FFP2-Masken feiern. Voraussetzung ist, dass alle einen negativen PCR-Test vorweisen.
Wir wünschen Ihnen FROHE WEIHNACHTEN und einen GUTEN RUTSCH ins 2022!
Ihr Jörg Baumann & Ihre Sabine Breun
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Ein herzliches Dankeschön an Oliver Hoogvliet für die großartige Zeichnung ollihoo (https://hoogvliet.de).
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